Evangelische Kirchengemeinde Groß Särchen, Wittichenauer Str. 1, 02999 Lohsa-Groß Särchen
„Erzähl mir was aus deinem Leben, daß ich dich besser verstehen kann…“: beginnen wir mit dem klassischen Eingangssatz
jedes Lebenslaufes: „Ich, die evangelische Kirche von Groß Särchen, wurde am …. 1782 eingeweiht“, mit der klaren, uns in
Stein gehauen überlieferten und so auch gepredigten Bestimmung: „Heilige sie in deiner Wahrheit. Dein Wort ist die
Wahrheit.“ Mit ungewöhnlich dickem Mauerwerk steht sie auf einer kleinen Bodenerhebung überschwemmungssicher
über dem Schwarzwasser, seit je vom Friedhof umgeben. Von außen ein einfacher, schlichter Baukörper, und so bietet
sich auch der Innenraum dem Gottesdienstbesucher. Eine Predigtkirche im Übergang zum Kunststil des Klassizismus. Der
Raum ist ganz auf Altar und Kanzel ausgerichtet, die in eins gesetzt sind, auf beiden Seiten je zwei Emporen. Auf der
Westseite eine Orgel mit zwei Manualen und Pedal, 1868 unter der Firma Friedrich Ladegast von Conrad Geissler erbaut.
Das Einweihungsjahr 1782 ist außen über dem Südeingang zu lesen. Da muß es einem sehr aufmerksamen Besucher
auffallen, daß die Wetterfahne auf dem kantigen Turm, in 31 Meter Höhe, eine ganz andere Jahreszahl trägt: 1750. Und das
heißt ja nicht anderes als daß er älter ist als die Kirche. Das führt uns auf die Geschichte der Kirche, die in ihrer jetzigen
Gestalt tatsächlich bereits das dritte Gotteshaus an gleicher Stelle ist. Irgendwann zwischen der ersten urkundlichen
Erwähnung des als „Zore“ (das Wort belegt seine Gründung durch slavische/sorbische Siedler) um 1374/1385 und der
ersten Erwähnung im Jahr 1495 ist das erste Kirchlein gebaut worden. Es war der damals sehr beliebten Heiligen Barbara
geweiht, die zu den Vierzehn Nothelfern gerechnet wird. Zwei Zeugnisse aus diesem Kirchlein haben die Jahrhunderte
überdauert: einmal die sog. „mensa“, das ist der Altarstein, ganz grob behauen; er steht jetzt m Turmeingang, zum anderen
der spätgotische Corpus eines Kruzifixus. Und vielleicht war auch der jetzige eingewölbte Westeingang einmal der
steinerne Glockenturm der ersten Kirche,
Ob das Kirchlein abbrannte oder einfach zu klein und baufällig wurde? Jedenfalls errichtete die Gemeinde, die im Jahr 1542
ihren ersten evangelischen Pfarrer erhielt, (um) 1692 eine neue Kirche; wir haben Grund zu der Annahme: Fachwerk aus
steinernem Sockel. Zweihundert Jahre später genügte auch diese Kirche nicht mehr, sie wurde niedergerissen und am 3.
Adventssonntag 1782 nach eineinhalbjähriger Bauzeit die jetzige Kirche geweiht.
Es ist aber bemerkenswert - rechnen mußten die Kirchväter damals auch! - , daß man aus der Vorgängerkirche Kanzel und
Altar übernommen hat. Mit einer wesentlichen Änderung freilich: man setzte den Kanzelkorb an Stelle eines
ursprünglichen Altarbildes mitten in den Altar hinein. Und das Altarbild wurde, der Gemeinde jetzt fast unsichtbar, in die
Kanzeltür eingepaßt: eine recht gute, sehr lebendige Darstellung der Abendmahls-Szene, Öl auf Leinwand, um 1600
gemalt.
Die lange vergessene Namenspatronin, Barbara, bekam Ende des letzten Jahrhunderts einen Platz am Kanzelkorb. Mit dem
Turm in ihrer Hand, Zeichen ihrer Standhaftigkeit im Glauben, schaut sie in die Gemeinde. Zur Rechten und Linken zwei
Frauen aus dem Alten und Neuen Testament: die Prophetin Mirjam, tanzend mit der Pauke in der Hand, deren Siegeslied
(nachzulesen im 2. Buch Mose Kap. 15 Vers 21) das älteste uns aufgeschriebene gesungene Gotteslob ist, und die Frau, der
Jesus am Jakobsbrunnen begegnet und ihren Lebensdurst stillt (lies im 4. Kapitel des Johannes-Evangeliums). Die
schmiedeeisernen Gitter der Seitentüren sind eine Bildpredigt: auf der Nachtseite Sündenfall (Adam und Eva) und
Brudermord (Kain und Abel), auf der Mittagsseite Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Das ganze Elend des Menschen und
die ganze liebende Zuwendung Gottes ist in diesen vier Geschichten: Schuld und Tod, Vergebung und Leben. Oder,
verschränkt zu lesen: Schuld und Vergebung, Tod und Leben.
Über zwanzig „pastores“, d.h. Hirten, hat die Gemeinde seit der Reformation gehabt; erstaunlich wenige, was auf ein
wohlhabendes Dorf schließen läßt, das auskömmlichen Lebensunterhalt sichern konnte.
Womit wir bei dem Dorf sind, in dessen Mitte die Kirche steht. Zu ihm soll doch wenigsten dieses gesagt werden, daß es
„aus slavischer Wurzel“, also nicht von deutschen Siedlern, angelegt wurde, und daß es bis etwa zum Jahr 1900 ein rein
sorbisches Bauern- und Häusler-Dorf geblieben ist, weitab vom großen Weltgeschehen. Aber recht selbstbewußt: bereits
im Jahr 1510 rang es dem Grundherrn, das war die Standesherrschaft Hoyerswerda, in einem Vertrag größere
Freiheitsrechte ab; im Jahr 1799 kaufte es das Särchener Vorwerk auf und verteilte das Land unter die eigenen Leute. Das
Leben des Dorfes änderte sich gründlich, seit Anfang des 20. Jahrhunderts die riesigen Braunkohlevorkommen erschlossen
wurden; und es änderte sich abermals, als nach der „Wende“ 1989 mit dieser Industrie, verbunden mit dem Namen
Werminghoff/Knappenrode, den Leuten ihre wirtschaftliche Grundlage wegbrach. Seitdem ist das Dorf still geworden und
die Kirchengemeinde klein, zu der noch die umliegenden Dörfer Maukendorf, Koblenz und Rachlau gehören.
Aufgeschrieben von Pastor em. Dietmar Neß
Geschichte